Neuer RhB-Flügelzugbetrieb: Prototypen der Signalisation mit Nutzenden getestet

 

Unser Testing inmitten der schönen Bündner Landschaft

Die Rhätische Bahn (RhB) wird demnächst ihren Flügelzugbetrieb lancieren. Die Zugteile starten gemeinsam. Dann aber trennen sie sich, um zwei unterschiedliche Enddestinationen anzufahren. Dieses Konzept ist vielen Reisenden noch gänzlich unbekannt.

Um sicher zu stellen, dass auch zukünftig alle Personen entspannt das geplante Ziel erreichen, wurden wir beauftragt, ein dreitätiges User Experience Testing durchzuführen. Damit sollten die angedachten Signalisationskonzepte überprüft werden.

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Neuer Capricorn-Triebzug für den Flügelzugbetrieb

 

Projekt-Übersicht

  • Auftraggeber: Rhätische Bahn AG (RhB)

  • Fragestellung: Wo bestehen Herausforderungen für Reisende bei der Nutzung von Flügelzügen und wie kann sichergestellt werden, dass die Personen die gewünschte Destination erreichen?

  • Vorarbeit: Kick-off Meeting mit Problem Statement Map und Proto-Personas

  • Rekrutierung und Testleitung: Rekrutiert wurde der Grossteil der Testpersonen vorgängig durch unseren Partner TestingTime AG. Lediglich am letzten Tag haben wir vor Ort zusätzlich einige Reisende spontan angesprochen. Das Team vor Ort bestand aus unserer RhB-Kontaktperson, welche die Prototypen koordinierte, sowie der Testleiterin und Protokollführerin von soultank AG.

 

Testing-Ablauf

  • Mit den neuen «Capricorn»-Zügen wird die RhB demnächst auf den sogenannten Flügelzugbetrieb umstellen. In einem ersten Schritt wird dies auf der Strecke ab Landquart der Fall sein, wo sich die Züge anschliessend in Klosters Richtung Davos respektive St. Moritz trennen. Grosser Priorität bei dieser Umstellung kommt der Kundeninformation zu, welche sicherstellen muss, dass alle Reisenden dieses Konzept verstehen und an der gewünschten Destination ankommen. RhB hat dafür bereits einige mögliche Varianten für Anzeigetafeln, Schilder, Bildschirminformationen und Lautsprecherdurchsagern konzipiert, die nun getestet werden sollten.

  • «Stell dir vor du wohnst in Landquart und willst mit dem Zug nach Davos…» So begann ein Auftrag an die Testpersonen, die für die Tests nach Landquart gereist waren. Während die Personen diese Aufgabe erfüllten, konnten wir beobachten, ob aufgrund der Prototypen nicht nur der richtige Zug, sondern eben auch der richtige Sektor gefunden wird. Andere Szenarien beinhalteten die Zugfahrt nach Klosters, bei der die Reisenden vermeintlich im falschen Abteil sassen oder das Einsteigen in Klosters, wo die Züge getrennt werden. Abgerundet wurden die Tests durch ein Interview, bei welchem wir mehr über das allgemeine Reiseverhalten erfahren wollten und dabei viele spannende Anekdoten hören durften. Beispielsweise hat uns eine Testperson erzählt, dass es in München bereits einen Flügelzubetrieb gibt und sie in der Hektik prompt im falschen Abteil eingestiegen war. So soll es den Fahrgästen im schönen Bündnerland zukünftig eben genau nicht ergehen.

    «Ah, de Zug trennt sich in Klosters!»

    Die Aufgaben wurden jeweils in unterschiedlicher Reihenfolge durchgespielt, um möglichst alle Signalisationen gleichwertig zu validieren. Dennoch stellten wir fest, dass einige Informationen – zum Beispiel die Animation der Flügelzüge auf dem Bildschirm im Zug – klarer verständlich waren als beispielsweise das angedachte Farbkonzept auf den Überkopfanzeigen, welches vielen Testpersonen gar nicht auffiel.

  • Die grösste Herausforderung bestand darin, möglichst realistische Szenarien zu definieren, ohne den Reisenden vorgängig zu viel zu verraten. Zudem ist die Nutzergruppe sehr breit aufgestellt: Es müssen alle Personen abgeholt werden, die irgendwann mit einem RhB-Zug von Landquart nach Davos oder St. Moritz reisen. Dies beinhaltet beispielsweise fremdsprachige Touristen, die sich im Schweizer ÖV nicht auskennen, Personen mit Velos, Kinderwagen, Rollstuhl, Handicaps, Gruppenreisende uvm.

    «Ich bin gerade kurz überfordert – es sind so viele Infos.»

    Wie stellt man also sicher, dass alle diese Reisenden merken, dass der Zug getrennt wird? Auch wenn sie abgelenkt sind oder einen anderen Fokus haben – beispielsweise nach einem Velowagen Ausschau halten oder den Aufgang über die Rampe nehmen? Und das Ganze auch dann noch während sie ihre Lieblingsmusik über schalldämpfende Kopfhörer konsumieren? Diese Fragestellungen bildeten die Grundlage für die Rekrutierung unserer Testpersonen.

  • An den ersten beiden Testtagen stellten wir fest, dass eine Anzeige-Variante von keiner Testperson verstanden wurde. Für den nächsten Testtag haben wir basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen eine neue Version erstellt und getestet. So konnten wir bereits einen Entwicklungsschritt in die Tests mit einbringen. Das wird dem RhB-Team in der Entwicklungsphase Zeit ersparen. Zusätzlich haben wir einen Papier-Prototyp der SBB-App erstellt, da die meisten Testpersonen ihr Smartphone konsultiert hätten. Dies musste für mehr Realitätstreue berücksichtigt werden.

    «Jetzt chumi gar nüme drus.»

    Wertvolle Hinweise erhielten wir auch zum Inhalt der Zugsdurchsagen auf dem Weg nach Klosters. Beispielsweise hätten die meisten Reisenden versucht, innerhalb des Zuges das Abteil zu wechseln. Dies wird aber zukünftig nicht möglich sein, da sich zugsmittig eine Steuerkabine befindet, welche nicht durchquert werden kann. Das muss für die endgültige Lösung unbedingt berücksichtigt werden, um Unsicherheiten und das Umherirren der Fahrgäste möglichst zu verhindern.

  • Bei unseren Tests haben alle Reisenden irgendwann bemerkt, dass es sich um einen Flügelzug handelt und wären an der gewollten Destination angekommen. Dennoch: Es gab gewisse Unsicherheiten und in der Realität hätte es durchaus Stresssituationen gegeben. Beispielsweise fanden alle Testpersonen die Animation im Zug sehr verständlich. Ihnen fehlte jedoch der Bezug zum eigenen Standort analog einer Landkarte, die verrät: «Du bist hier». Die Reisenden würden sich dahingehend mehrmals rückversichern wollen, um ja keinen Fehler zu begehen. Zudem muss auch klar kommuniziert werden, dass ein Wechsel innerhalb des Zuges nicht möglich ist. In Klosters wird jedoch genügend Zeit für den Umstieg zur Verfügung stehen. Würde die Animation zudem mit einer Durchsage vor der Abfahrt kombiniert, wählten die Passagiere bereits am Einstiegsort das richtige Abteil.

    «Wir haben den Prototyp intern im Detail besprochen, aber es ist niemandem von uns aufgefallen, dass die Reihenfolge falsch ist.»

    Dieses UX-Testing war auch für soultank AG nicht alltäglich. Es war unsere Aufgabe, diverse Informationen und Medien mit unterschiedlichsten Nutzergruppen zu evaluieren. Es war viel Material bereit zu halten und die Abläufe waren komplex. Unser Fazit ist dennoch durchwegs positiv. Die Tests haben dem motivierten RhB-Team den Blick auf die Sicht der Reisenden eröffnet. Und soultank war danach in der Lage, wertvolle Empfehlungen abzugeben, wie das Erlebnis für die Fahrgäste noch positiver und stressfreier gestaltet werden könnte. Für eine entspannte Reise, auf welcher sie auch in Zukunft die Aussicht auf die pittoreske Bündner Landschaft geniessen können.

 

Spezielle Herausforderungen & Lösungen in diesem Projekt

Herausforderung 1:

Möglichst reale Reisesituationen herbeiführen, auch wenn die Personen wissen, dass etwas getestet wird.

Unsere Lösung:

Wir haben den Testpersonen zu Beginn möglichst wenig verraten und haben zwischendurch auch einen gewissen Zeitdruck aufgebaut. Ausserdem haben wir während des Tests die Reisedestination umgestellt, um zu kontrollieren, ob die Testpersonen tatsächlich gemerkt hatten, dass der Zug zwei verschiedene Ziele hat.


Herausforderung 2:

Die unterschiedlichen Prototypen möglichst gleichwertig testen.


Unsere Lösung:

Wir haben die Testsituationen mit unterschiedlichen Testpersonen in anderen Reihenfolgen durchgeführt, damit jede Situation einmal durchgespielt wurde, ohne dass die Person Vorkenntnisse hatte. Ausserdem hatten wir die Tests mit genügend Testpersonen durchgeführt.


Herausforderung 3:

Zugfahrt in die Testabläufe integrieren aber unnötige Wartezeiten vermeiden.

Unsere Lösung:

Treffpunkt mit den Testpersonen war alternierend Landquart oder Klosters. Zudem haben wir den Zeitplan für den zweiten Tag leicht angepasst und sind auf eine frühere Verbindung umgestiegen.


Herausforderung 4:

Rekrutieren von unterschiedlichen Nutzergruppen in Zeiten von Corona (z.B. Touristen, Pensionierte usw.).

Unsere Lösung:

Einerseits haben wir die Testdurchführung um ein paar Wochen verschoben, als wieder gewisse Lockerungen möglich waren. Im Zug trugen damals schon alle Beteiligten eine Gesichtsmaske, als diese noch nicht obligatorisch waren. Anstelle von Touristen haben wir fremdsprachige Personen rekrutiert, die erst seit kurzem in der Schweiz lebten.


Herausforderung 5:

Ein Prototyp war für alle Testpersonen unverständlich.

Unsere Lösung:

Wir haben den Prototyp zwischen den Testtagen angepasst und ergänzt, um die Entwicklung der Lösung proaktiv weiter zu gestalten. Dadurch wurde die reservierte Zeit sinnvoller genutzt.

 

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